Pro und Contra

Inhalt

Grundsätzliches

Digitale Unterrichtsmittel (Hard- und Software) sind heute flächendeckend vorhanden und lassen sich rasch und unkompliziert in den Unterricht integrieren:

  • Hardware und Software arbeitet heute in der Regel sehr zuverlässig, und die Installation von Programmen/Apps ist meist einfach und in wenigen Minuten erledigt.
  • Im Klassenzimmer sind neben Beamern (inzwischen praktisch in allen Schulen standardmässig vorhanden) auch Visualizer oder interaktive Wandtafeln vorhanden, welche neue Anwendungen ermöglichen.
  • Smartphones erlauben einen raschen, zeit- und ortsunabhängigen Zugang zu Informationen, Tools und Apps. ICT kann damit im Unterricht und ausserhalb des Schulzimmers (auch unterwegs oder zuhause) genutzt werden.
  • Geräte mit Stifteingabe (z.B. Surface, iPad) erlauben neue Einsatzmöglichkeiten und lassen analoges und digitales Arbeiten immer näher zusammenrücken.
  • Software läuft heute meist online (im Browser) und ist daher unabhängig vom Betriebssystem und vom verwendeten Gerät (Desktopcomputer, Laptop, Smartphone, Tablet). Viele Softwareprodukte im Bildungsbereich sind kostenlos (z.B. LearningApps, Quizlet, Office 365) oder sehr günstig (diverse Apps).
  • Cloudlösungen erleichtern den Austausch und die Zusammenarbeit ungemein (zwischen Schülerinnen und Schülern, zwischen Lehrpersonen und Schülerinnen und Schülern, zwischen Lehrpersonen). Insbesondere die Möglichkeiten zum Austausch und zur Kooperation unter Lehrpersonen haben das Potenzial, durch verstärkte Nutzung (gemeinsame Vorbereitung, Datenablage mit Unterrichtsmaterialien, usw.) die Qualität zu erhöhen und den Aufwand für die einzelne Lehrperson zu reduzieren.
  • Classroomlösungen fokussieren gezielt auf den Einsatz im Unterricht (z.B. Microsoft Teams mit dem Klassennotizbuch, iOS App Classroom) und bieten viele geeignete Funktionen für diesen Zweck an. Die Verwendung in mehreren oder allen Fächern erleichtert die Arbeit, da die Schülerinnen und Schüler sich in der Regel rasch zurechtfinden und keine Einführung mehr benötigen.

Viele Schulen setzen momentan eigene Digitalisierungskonzepte (meist auf der Basis von BYOD) um oder erstellen solche. Denn der vermehrte Einsatz von ICT im Unterricht wird von Hochschulen und von der Gesellschaft erwartet und eingefordert. In vielen Fächern wird ICT bereits heute eingesetzt: Der altsprachliche Unterricht kann davon profitieren und gleichzeitig seinerseits zu verbesserten Kenntnissen der Schülerinnen und Schüler beitragen. Die Unterrichtsvorbereitung und -durchführung (z.B. mittels Beamer) ohne ICT ist heute für Lehrpersonen praktisch undenkbar geworden: die meisten verwenden ICT praktisch in jeder Lektion. Auch die Schülerinnen und Schüler verwenden ICT bereits an der Volksschule (z.B. Quizlet, Onlineübungen der verschiedenen Lehrmittel); allerdings sind ihre Anwenderfertigkeiten sehr unterschiedlich. Diese Tendenz wird künftig durch den Lehrplan 21 noch verstärkt werden.

Die Digitalisierung selbst ist noch längst nicht an ihr Ende gelangt. Die künstliche Intelligenz eröffnet ganz neue Möglichkeiten, z.B. beim Übersetzen oder Zusammenfassen von Texten. Bei der Programmierung neuer Tools steht immer stärker auch der Aspekt der Gamification im Vordergrund: Durch spielerische und kompetitive Elemente soll die Motivation der Nutzerinnen und Nutzer gesteigert werden. Technologische Neuerungen (verbesserte Handschrifterkennung, Sprachsteuerung) verbreiten sich jeweils rasch und finden entsprechend schnell Einzug im Unterricht. Dabei darf nicht vergessen werden, dass die Digitalisierung an der Schule nicht Selbstzweck ist. Ziel des Gymnasiums bleibt breite Allgemeinbildung zur Erreichung von Studierfähigkeit und vertiefter Gesellschaftsreife. ICT ist «nur» ein Unterrichtsmittel neben anderen, und gerade auch der komplementäre Einsatz von Nicht-ICT-Methoden im Unterricht ist absolut zwingend.

Vorteile des ICT-Einsatzes im Unterricht

Die Verwendung von digitalen Unterrichtsmitteln im Unterricht bringt folgende Vorteile mit sich:

  • Individualisierung (Tempo, Inhalt, Fortschritt)
  • Sofortiges, je nachdem differenziertes Feedback für Schüler/innen
  • Formative Tests ermöglichen Rückmeldung an Schüler/innen (z.B. zur Selbsteinschätzung)
  • Rasche Auswertung, Klassenübersicht für Lehrperson
  • Permanente Verfügbarkeit der Informationen und Materialien (automatisch erstelltes Archiv)
  • Abwechslung, andere Übungstypen
  • Erleichterte Kommunikation und Kooperation
  • Einfache Überarbeitung, Strukturierung und Markierung (z.B. bei der digitalen Eingabe einer Übersetzung)
  • Kollaboratives Arbeiten an digitalen Dokumenten
  • Flexibilität
  • Rasche Anpassbarkeit und Wiederverwendbarkeit der Materialien
  • Möglichkeit, flipped-classroom-Methode einzusetzen

Nachteile des ICT-Einsatzes im Unterricht

Bei der Verwendung von digitalen Unterrichtsmitteln muss mit folgenden Nachteilen gerechnet werden:

  • Ablenkungspotenzial
  • Erhöhter Zeitbedarf (z.B. zur Behebung von technischen Schwierigkeiten, Updates, Anforderung von Support)
  • Abhängigkeit von der Technik (Akku/Strom, WLAN/Netzwerk, Login etc.)
  • Gefahr, dass die Form stärker gewichtet wird als der Inhalt
  • Plagiate
  • Zwang zur permanenten Erreichbarkeit
  • Kosten (z.B. für Hardware)
  • Einhaltung der Vorgaben des Datenschutzes (gegenüber einer einfacheren Bedienung)
  • «gläserne» Schülerinnen und Schüler (z.B. gegenüber Lehrperson)

Tipps zur Verwendung von digitalen Unterrichtsmitteln

Aus der Erfahrung der Autoren lohnt sich die Berücksichtigung der folgenden Punkte:

  • Kurze Sequenzen durchführen (geringere Ermüdung, Abwechslung, geringere Gefahr der Ablenkung)
  • Klare, überprüfbare Aufträge (weniger Ablenkung)
  • Einfache, webbasierte Tools einsetzen (weniger technische Probleme, da z.B. keine Installation notwendig ist)
  • Tools ausprobieren (dazu gehören je nachdem auch Prüfungen mit Laptop/Tablet/Smartphone), um sich ein Bild machen zu können (was finde ich persönlich gut, was eher nicht; persönliche Weiterentwicklung, sich ein eigenes kritisches Bild machen)
  • Bewährtes nicht aufgeben (keinesfalls Digitalisierung um jeden Preis)
  • Austausch in der Fachschaft und im Kollegium: unbedingt von den Erfahrungen anderer profitieren, Materialien austauschen (reduziert Zeitaufwand und Frustration, erhöht den Zusammenhalt in der Fachschaft bzw. der Schule)
  • Online-Gruppen und -Foren können über die eigene Schule hinaus präzise Hilfe bieten, so z.B. das o365learninglab.ch
  • Seit Ende 2019 läuft ein Pilotbetrieb des digital learning hub Sek II des Kantons Zürich, der Regelbetrieb ist für 2022 geplant: https://dlh.zh.ch ermöglicht die Vernetzung von Lehrpersonen zu verschiedenen Themen

Neue Rolle der Lehrperson?

Oft wird im Zusammenhang mit der Digitalisierung darauf hingewiesen, dass die Lehrperson eine neue Rolle erhalte: Statt (nur) «Stoffvermittler» sei sie neu zusätzlich oder nur noch «Lerncoach», durch die Konkurrenz im Internet hüte die Lehrperson nicht mehr allein das Wissen, und durch Angebote im Internet könne die Lehrperson sogar (teilweise) ersetzt werden (Onlinekurse, Lernvideos, usw.). Allerdings haben die Forschung (u.a. John Hattie in seinen Studien) und die Erfahrungen aus dem Notfallfernunterricht im Frühjahr 2020 klar aufgezeigt, dass die Lehrperson und ihre direkte, persönliche Beziehung zu den Schülerinnen und Schülern bei den Lerneffekten eine sehr hohe Rolle spielt. An den digitalen Unterricht soll also nur das delegiert werden, was dieser besser als Lehrpersonen kann. Gerade im Internet passen viele Angebote in der Regel nicht exakt zum Lehrplan und den Fachinhalten, und nur die Lehrperson ist in der Lage zu entscheiden, was (z.B. als Ergänzung zum Unterricht) sinnvoll ist. Zudem sind die Schülerinnen und Schüler meist überfordert, die Qualität der Angebote korrekt zu beurteilen. Die Digitalisierung ist also nicht als Gefahr für die Rolle der Lehrperson zu sehen, sondern hilft häufig sogar im Gegenteil, ihre Wichtigkeit zu unterstreichen. Ein aufgeschlossener und durchaus auch (selbst)kritischer Blick der Lehrpersonen auf die digitalen Unterrichtsmittel dürfte die richtige Haltung sein.